Ich will, dass Du mich willst
Ich brauche, dass Du mich brauchst
Ich würde es lieben, wenn Du mich liebst
Ich bitte Dich mich zu bitten
I Want You To Want Me – Cheap Trick
Writer – Rick Nielsen (1977)
Ich kann es hören. Ana ist rot geworden – weswegen? Verlegenheit? Aufregung? – während sie mir am Telefon von ihrer Begegnung mit Christian Grey erzählt. Er ist gerade zufällig in Claytons Baumarkt gewesen, wo sie arbeitet, um ein paar Kleinigkeiten zu kaufen. Ist die ganze Strecke von Seattle nach Portland gefahren um dies zu tun. An einem Samstag! Wieso glaubst Du, dass das normal und vernünftig ist? Bist Du bescheuert?
“Aber was wollte er bei Claytons?” Denk’ nach Ana, Du musst doch sehen, dass das NICHT normal ist. Dieser Typ muss wirklich auf sie abgefahren sein. Mistkerl!
“Er war in der Gegend” Ja sicher, und er ist rein zufällig an Deinem Arbeitsplatz vorbeigekommen. Wach auf Ana!
“Das ist aber ein riesiger Zufall Ana. Glaubst Du nicht, er war da um Dich zu sehen?” Verflixt nochmal! Ich liebe Ana, aber sie erfindet Naivität völlig neu.
“Er hat das landwirtschaftliche Institut der WSU besucht. Er finanziert dort einige Forschungsprojekte.” murmelt sie und ich höre die Enttäuschung, die sie zu verbergen versucht. Oh nein Ana. Er ist nur ein hübsches Gesicht. Du kannst so viel mehr.
Mich auf ihre Sicht der Dinge einzulassen, ist das einzige, was ich im Augenblick tun kann, obwohl ich nicht eine Minute glaube, dass das ein Zufall ist. Kein Milliardär geht in einen Baumarkt um einzukaufen. Er hat Leute, die das für ihn tun. Anas Arglosigkeit ist normalerweise süß, aber hier ist ein ganzer Haufen Dummheit mit im Spiel.
“Stimmt. Er hat dem Institut $ 2,5 Millionen gestiftet.” gebe ich zu. Tja, das macht alles nur noch schlimmer. Ihr niedergeschlagener Tonfall spricht Bände.
“Woher weißt Du das?” Komm schon Ana. Ich bin Reporter – oder werde es sein, wenn ich in ein paar Wochen mein Praktikum im Medien-Konzern meines Vaters starte. Der Abschluss steht vor der Tür und nach einem entspannenden, exotischen Strandurlaub, fängt das echte Leben an.
“Ana, das ist mein Job, das ist es, was ich tue. Du weißt, dass ich eine Kurzbiographie über den Typen geschrieben habe.” Obwohl ich zugeben muss, dass ich etwas enttäuscht bin über die Dinge, die ich nicht über Christian Grey weiß. Zuerst einmal, er hat Geheimnisse. Da bin ich mir sicher. Aber es gibt nicht die Spur eines Skandals im Zusammenhang mit ihm, außer den endlosen Spekulationen über seine Homosexualität, und dafür gibt es keine Beweise. Der Typ ist ein Schatten.
Was willst Du Christian Grey? Wieso dieses plötzliche Interesse an meiner Mitbewohnerin? Nicht dass Ana seiner Aufmerksamkeit nicht würdig wäre. Sie ist schön und witzig, ehrlich und loyal. Nur wenige kommen ihr nahe genug, um diese Seiten von ihr kennenzulernen und ich bezeichne mich selbst als eine der Glücklichen. Ich denke auch sie kann Geheimnisse hüten. Ja, Ana lässt sich nicht so leicht unterkriegen Mr. Grey, aber wenn Sie sich mit meinem Mädchen anlegen, dann müssen Sie auch mir Rede und Antwort stehen.
“OK, Carla Bernstein, reg’ Dich nicht auf. Also, willst Du die Fotos?” Will ich immer!
“Natürlich will ich.” Ein Plan formt sich in meinem Kopf. Selbstverständlich kann ich Levi für das Shooting bekommen. Er ist ein, bei der Studentenzeitung angestellter Fotograf und würde sich um den Job reißen. Aber wäre es nicht viel interessanter unseren lieben Freund José und Christian Grey im selben Raum zu haben? José, der, solange ich denken kann, in Ana verknallt ist. Dann würde ich genau wissen, was zwischen Ana und Christian Grey läuft und wie sehr ich sie, als ihre beste Freundin, beschützen muss. Ein kleines Ablenkungsmanöver steht an. Ich versuche meine Frage so unschuldig wie möglich zu stellen. “Die Frage ist nur , wer macht sie und wo?”
“Wir können ihn fragen wo. Er sagt, er bleibt in der Gegend.” Interessant. Warum diese Nähe, Mr. Grey?
“Du kannst ihn erreichen?” frage ich.
“Ich hab’ seine Handynummer.” Mist! Ich habe monatelang an diesem Kerl gearbeitet und Ana hat seine Privatnummer innerhalb von ein paar Tagen! Der Typ ist ernsthaft auf sie abgefahren und sie scheint es nicht einmal zu merken.
“Der reichste, unglaublichste, rätselhafteste Junggeselle im Staat Washington hat Dir einfach so seine Handynummer gegeben?” Ich kann ihr Hirn übers Telefon förmlich rattern hören. Komm schon Ana. Er ist sowas von auf Dich abgefahren!
“Ehm… ja.” Typisch Ana, bloß nichts preis geben.
“Ana! Er mag Dich. Kein Zweifel.” spreche ich es offen aus. Sicherlich kann auch sie erkennen, was das ist. Dieser Mann, der begehrteste Junggeselle von Seattle, wenn nicht der gesamten Westküste, hat ernsthaftes Interesse daran, wenn ihr schon nicht offen nachzulaufen, so doch für sie erreichbar zu sein. Der Gedanke erschreckt und begeistert mich gleichermaßen. Ich will sie nicht zu sehr bedrängen, weil sie sonst die Beine in die Hand nehmen würde. Aber vielleicht sollte ich ihr doch einen Schubs geben, nur um sie zu beschützen. Ich will nicht, dass Ana jemals von dem Mist, der in meiner Welt passieren kann, zu Schaden kommt. Nach meiner Erfahrung könnte Grey irgendwelche perversen Vorlieben haben, die er mit Ana ausleben will und sie, unschuldig wie sie ist, wird verletzt werden, weil er alles andere als perfekt ist. Das könnte ich nicht ertragen.
“Kate, er versucht nur nett zu sein.” Ja klar. Christian Grey versucht nicht nett zu sein! Mist, sie spielt es immer noch herunter und vielleicht sollte ich es ihr zuliebe auch tun. Aber ich kann mir nicht helfen, das ist die Arbeit eines sehr erfolgreichen Stalkers. Der Typ hat herausgefunden, wo meine stille, schüchterne Mitbewohnerin wohnt und arbeitet. Er taucht ausgerechnet an einem Tag auf, an dem sie bei Claytons ist, was nicht einfach ist, da sie nur Teilzeit arbeitet. Er scheut keine Mühe sie zu finden, nur um ihr ‘zufällig zu begegnen’. Ich zweifle nicht eine Sekunde daran, dass er das Ganze inszeniert hat und ich mache mir echt Sorgen um Ana, aber darf sie das nicht wissen lassen. Zumindest jetzt noch nicht. Nicht bevor ich beide zusammen gesehen habe. Denn zuerst muss ich wissen, was ihre Interessen ihm gegenüber sind. Vielleicht braucht sie ja tatsächlich Schutz. Ich will Ana wirklich nicht ‘Ben & Jerry’s’ in einem pinken Flanell-Pyjama verputzen sehen, nur um den Schmerz zu vergessen. Natürlich sollte ein gebrochenes Herz unsere letzte Sorge sein. Es wird Zeit meinen Plan ins Rollen zu bringen und ich brauche José, um das Ganze nüchtern betrachten zu können. Ich hoffe nur, dass José nicht auch noch verletzt wird.
“Ich weiß nicht, wer für uns das Shooting machen soll, Levi kann nicht.” lüge ich problemlos, aber nicht ohne ein leichtes Schuldgefühl. Levi kriegt einen Anfall, wenn er erfährt, dass ich ihn um diesen Job gebracht habe. “Er ist an diesem Wochenende zu Hause in Idaho Falls. Er wird stinksauer sein, dass er die Gelegenheit, einen von Amerikas führenden Unternehmern zu fotografieren, verpasst hat.” Komm schon Ana, fang den Knochen.
“Hmmm… Was ist mit José?” Bingo!
“Tolle Idee! Frag ihn – für Dich würde er alles tun. Und ruf’ Grey an und finde heraus, wo wir hinkommen sollen.” Ich muss das mit José später klären, aber dank seiner unerwiderten Liebe zu Ana, kann er kaum ablehnen. Im Augenblick muss ich es ihr überlassen das zu managen. Grey ist jetzt schließlich ihr Bekannter. Außerdem, wenn Ana José dazu überreden kann dieses Shooting zu machen, müsste ich mich nicht mehr so schuldig fühlen, versucht zu haben, alle drei in einen Raum zu bekommen. Es wäre nicht meine Schuld und ich könnte ganz beiläufig das Kräftemessen beobachten, ohne mich wie ein komplettes Arschloch zu fühlen.
“Ruf’ lieber Du ihn an.” Mist! Grey oder José?
“Wen, José?” frage ich unschuldig. Ich will keinen von beiden anrufen, aber ich tue es, wenn ich muss.
“Nein, Christian Grey.” Sie sagt seinen Namen fast ehrfürchtig. Etwa Schiss Ana? Nix da, um den kümmerst Du Dich selbst. Mal sehen wie weit Du Mr. Christian Grey bringen kannst.
“Ana, Du bist diejenige mit der Beziehung.” Himmel, Beziehung? Soweit ich weiß, hat Christian Grey keine Beziehungen.
“Beziehung?” quiekt sie, meine Gedanken aussprechend. “Ich kenne den Mann kaum!”
“Immerhin hast Du Dich schon mit ihm getroffen.” Was mich ärgert, denn ich habe es monatelang versucht. Verflixte Grippe. Im Moment bin ich wirklich sauer auf sie. Dieser Typ will sie sehen. Das ist der einzige Grund warum er dem ganzen zugestimmt hat. Ich muss damit aufhören, bevor ich etwas sage, dass ich nicht mehr zurücknehmen kann. “Und es sieht ganz so aus, als wollte er Dich besser kennen lernen. Ana, ruf’ ihn einfach an.”
Ich lege auf. Mist, war das genug, um sie dazu zu bringen es zu tun? Früher konnte ich sie schon zu einigem nötigen, aber selbst Ana hat Grenzen, die sie nicht einmal für mich überschreiten würde. Ich habe sie noch nie betrunken gesehen, habe noch nie mitbekommen, dass sie Sex hatte. Sie schwänzt keine Kurse und nimmt garantiert kein Geld von Freunden oder der Familie an. Selbst nicht von reichen Freunden, die es sich leisten können und nur ihr Bestes im Sinn haben. Daran beteiligt zu sein einen Multimilliardär zu verkuppeln, ist möglicherweise eine Grenze, die sie nicht überschreitet. Also, wird sie es tun? Wird sie ihn anrufen?
Ich, für meinen Teil, betrachte das Ganze als ein soziales Experiment. Ich würde gerne im Dreck von Christian Grey wühlen und vielleicht ist das meine Chance ihn kennen zu lernen. Aber will ich wirklich dabei zusehen, wie Ana von jemandem verletzt wird, der nur auf die nächste Eroberung aus ist? Er sammelt vermutlich kleine Mädchen wie Ana, als Kerben in seinem Bettpfosten und derart verletzt möchte ich sie niemals sehen. Sie wird sich verlieben und Kerle wie Christian Grey und sein Bruder Elliot brechen Herzen. Ich kenne solche Typen. Mist, Mist, Mist. Ich hoffe das geht nicht nach hinten los.
[…] Kapitel 2: Ich will, dass Du mich willst […]
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